WDR 5 Neugier genügt - Redezeit:
Die Angst vor einem Angriff Russlands sei unbegründet und Aufrüstung der falsche Weg, sagt Richard David Precht. Über seine Sicht auf die aktuelle Sicherheitslage in Europa sprechen wir mit dem Philosophen in der Redezeit auf WDR 5.
Moderation: Anja Backhaus
Warum hat Putin die Ukraine überfallen?
Das hat Putin doch lang und breit erklärt. Sind die Reden nicht mehr auf der Kreml-Seite?
Es geht ihm um militärischen Expansionismus, so wie ihn schon die Zaren vergangener Jahrhunderte praktiziert haben.
Militärische Expansion? Warum sollte er das tun, das ergibt überhaupt keinen Sinn und bringt nichts außer Ärger. Putin ist sicher ein Idiot, aber verrückt ist er nicht. Kannst du mir die Rede zeigen? Ernsthaft, ich schaue sie mir an.
Naja… verrückt. Er sieht die Welt, so wie ein normaler Mensch eine Partie Civilization. Das ist zwar nicht verrückt im psychiatrischen Sinne, aber trotzdem einfach verrückt.
Ich habe mir das ewig nicht mehr angeschaut. Das erste Mal war vor dem Überfall auf die Ukraine, als aber schon gewarnt wurde. Ich wollte natürlich wissen, was die andere Seite meint. Das hat mich damals bis ins Mark schockiert. Als ob man zu Hitlers Ermächtigung zum ersten Mal Mein Kampf liest.
Dieser Link erklärt Putins Weltanschauung. Es ist ein wenig wirr und erinnert auch deswegen an Mein Kampf. Aber auch weil Nationen, Ethnien, Staaten für ihn nicht zählen und schon gar nicht Demokratie.
In englischer Sprache richtet sich dieses Dokument an den Westen. Es ist geschrieben, um zu überzeugen. Man muss also davon ausgehen, dass einiges Problematische ausgelassen oder geschönt wird. ZB die Absichten bezüglich Estland, Lettland, Litauen und Finnland. Manches dient vielleicht nur dazu, westliche Leser zu manipulieren (“Nazis”).
Man erkennt trotzdem Putins wahre Weltanschauung. Dieser Grundansatz, die Welt als Jahrtausende-währenden Kampf der Zivilisationen zu sehen, ist viel zu verschwurbelt, um Massenwirkung zu entfalten. Diese imperialistische Sicht ist im Westen spätestens mit dem Niedergang der Kolonialmächte nach dem 2WK weitgehend verschwunden. Trotzdem breitet er diese Sicht bei jeder Gelegenheit aus. Er ist wie ein fanatischer Gläubiger, der nicht erkennen kann, dass Bibel- oder Koranzitate den Ungläubigen nicht beeinflussen.
http://en.kremlin.ru/events/president/news/66181
Na jetzt bin ich gespannt. Da es sich um Precht handelt und du wie ein Fanboy wirkst, vermute ich, du glaubst den Blödsinn, die Nato und der Westen hätten den Euromaidan verursacht und Putin zum Einmarsch und Völkermord quasi gezwungen, liege ich da ungefähr richtig?
Warum hat Putin es nicht auf diplomatischem Wege versucht? Warum beinhaltete jedes “Verhandlungsangebot” seitens Russlands immer die völlige Kapitulation und das de-facto Ende der Ukraine? Warum ist Putin nicht in der Lage, der Ukraine Souveränität zuzugestehen, auch wenn die Ukraine entscheidet, auf den Westen zugehen und sich von Russland lösen zu wollen?
Putin ist ein Despot, ein Tyrann und ein Kriegstreiber. Dass man mit ihm nicht verhandeln kann, hat er mehrfach bewiesen, in dem er vollkommen überzogene Forderungen stellt, bei denen von vornherein klar ist, dass sie völlig indiskutabel sind, während er nebenbei ukrainische Kinder entführen und umerziehen und Journalist*innen foltern und umbringen lässt. Dass er sich auch nicht an Verträge hält ist dabei schon fast zu vernachlässigen.
Das ist ein Gespräch, das ich sehr gerne in Ruhe mit dir führen würde. Das den Rahmen hier getippt aber total sprengt, well ICJ sled verkürzen und zuspitzenden muss. Darum möchte ich so gerne, dass du dir den Talk anhörst, die reden immerhin eine halbe Stunde, mit jeder Menge kritischen Nachfragen.
Putin ist ein autoritärer Kriegstreiber und er will nicht mehr verhandelt, weil er gerade gewinnt. Warum sollte er jetzt noch zu unseren Bedingungen mit irgendjemandem reden? Ich finde das auch nicht toll. Dennoch müssen wir die Situation doch lösen, ohne in einen zweiten Kalten Krieg zu rutschen, oder nicht?
Putin hat die Ukraine angegriffen, damit sie nicht an die NATO geht. Wenn sie nun allerdings eh implodiert, dann müssen wir doch versuchen, ein neues Bündnis mit der Ukraine und Russland zu formen, das die Eskalationsspirate zurück dreht, auf Versöhnung setzt und alle Bedürfnisse nach Sicherheit erfüllt. Russlands Bedürfnis wurde ja Jahrzehnte lang vom Westen ignoriert und wir sind weiterhin nicht bereit, dieses Bedürfnis anzuerkennen.
Was wäre denn die Alternative? Wir rüsten gigantisch auf, bauen den Sozialstaat weiter ab, wegen Konsolidierungsdruck? Da bekommt die CDU richtig feuchte Schlüppies!
Und stell dir vor in fünf Jahren ist Frieden, was dann? Stecken wir jährlich Unsummen in die Instandhaltung all unsere neuen Kriegsgeräte bis unser Staatshaushalt kollabiert, wie in den USA? Oder ist die Gewaltspirale in fünf Jahren weiter eskaliert und wir stehen schon vorm Atomkrieg? Was ist dir lieber?
Militarisierung löst keine Probleme, sie macht nur die Aktionäre der Rüstungskonzerns reich und beschert Konservativen gute Wahlergebnisse. Ich wundere mich sehr, dass das hier in unserer linken Blase so eine geächtete Position ist.
Ich hab einfach besseres zu tun, als mir eine halbe Stunde lang anzuhören, wie vor autoritären Machthabern gebuckelt wird.
Falsch. Er wollte nie verhandeln, auch als die Ukraine Boden zurückgewann oder sogar Boden in Russland besetzte.
Wie naiv bist du eigentlich? Wieso merkst du nicht, dass wiruns bereits seit Jahren wieder im kalten Krieg mit Russland befinden, vielleicht nie keinen hatten? Russland führt seit Jahren einen Informationskrieg mit dem Westen, manipuliert Wahlen, setzt Trollfabriken ein usw.
Schwachsinn. Es gab keine Bestrebungen, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, nachdem Janukowytsch Annäherungen an die NATO rückgängig gemacht hat. Das wurde erst wieder ein Thema, als Putin 2014 in die Ukraine einfiel.
Haha, der ist gut. Haben wir denn nicht nach 2014 erst richtig fett in russisches Gas investiert? Ist nicht gerade Merkel kräftig auf Russland zugegangen, ist nicht Merkels Vorgänger Gasgerd Schröder Putins persönlicher Buddy?
Abgesehen davon, welche Bedürfnisse sollen wir deiner Meinung nach denn erfüllen, Putins Großmachtfantasien und diktatorische Bestrebungen? Sollen wir als nächstes Dissidenten ausliefern oder weggucken, wenn sie auf unserem Staatsgebiet ermordet werden?
Eine engere europäische Zusammenarbeit bei der Materialbeschaffung, Maßnahmen zum Schutz der Demokratie und gegen russischen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung, enger und effizienter verzahnte europäische Militärs (gerne auch bis hin zur Bildung einer EU-Armee statt nationaler Streitkräfte), insgesamt ein geeinteres Europa das resilienter gegen antidemokratisches Bestrebungen ist und andere Ländern bei der Demokratisierung und der Entwicklung (besser) unterstützt um zusammen gegen fashistische und andere autoritäre Machtspiele stehen zu können(hilft auch gegen China und die USA).
Ich will vor allem nicht unter Putins (oder sonst einer) Knute stehen sondern in einem freien, unabhängigen Europa leben und in einer Welt, in der Autokraten wissen, dass der Widerstand zu groß ist, wenn sie ihre Grenzen mit Gewalt ausdehnen wollen.
Stell dir vor, wir weichen jetzt zurück und werden wieder Putins “Freunde”. Welches Signal sendet das? Doch nur, dass wir um.des lieben Friedens Willen bereit sind, alles andere aufzugeben. Als nächstes marschiert Xi dann in Taiwan ein. Geil.
Wir könnten (und das wüsstest du, wenn du die Position der Linken tatsächlich gelesen und verstanden hättest) diese Kriegsgewinne steuerlich abschöpfen, oder die Rüstungsindustrie verstaatlichen oder oder oder. Weißt du, warum es in dieser linken Blase so geächtet ist, sich Putin zu ergeben? Weil das unvereinbar damit ist, sich dem Faschismus in den Weg zu stellen, wo ind in welcher Form er auch immer auftritt. Linke Politik ist eine Politik für die Menschen, ist Solidarität mit Unterdrückten, hat die Freiheit aller Menschen zum Ziel. Und as lässt sich nicht erreichen, wenn man sich vor lauter realitätsfremden Pazifismus vor jedem Diktator in den Staub wirft.
Deine bzw. Prechts Position findest du im BSW vertreten, wenn sie dirso wichtig ist.
Puh, bist du im echten Leben auch so intensiv? Deine Feindseligkeit macht wirklich keinen Spaß. Ich verstehe, dass du eine andere Meinung hast, in Ordnung und eigentlich ja ein interessanter Austausch. Aber meine Position dann als naiv und schwachsinnig zu bezeichnen, nur weil sie eine andere ist, geht nicht. Ich suche auch nach Lösungen, also nimm mal ein bisschen Dampf raus, Genossi. Wir sitzen beide nur am Handy und lesen Nachrichten.
So freiheitlich, dass du dich für kriegslüsterne Rüstungsaktionären in den Staub wirfst. So antifaschistisch, dass du mit der CDU gegen Sozialleistungen stimmst. Mehr Blut für den Fleischwolf. Soll die AfD dann in ein paar Jahren die verstaatlichten Panzerfabriken übernehmen?
Das sehe ich auch so. Hier nochmal die linke Blase:
Können wir uns denn darauf auch einigen?
Ich finde deine Ansicht nunmal naiv. Dabei geht es nicht darum, dass du eine andere Meinung hast, sondern dass der Glaube, Russland würde noch nicht auf Europa einwirken und unsere Gesellschaft spalten, einfach naiv ist. Das findet schon statt, wir befinden uns bereits im Informationskrieg, Putin verhält sich bereits seit Jahren feindlich.
Und der Schwachsinn bezieht sich auf deine Tatsachenbehauptung, die NATO hätte den Überfall auf die Ukraine provoziert. Das ist nachweislich falsch.
Das sind nichts als völlig haltlose Unterstellungen, um es nett auszudrücken. Ich hab oben noch geschrieben, dass wir Rüstungsgewinne abschöpfen und ggf Konzerne verstaatlichen sollten. Guck dir meine Kommentarhistorie an. Wann immer es um den Abbau von Sozialleistungen geht, schieße ich einen Spruch. Also solltest du das zurücknehmen, wenn du noch irgendwie ernstgenommen werden willst, denn untermauern kannst du das nicht.
Nein. Ich halte die Position der Linken an dieser Stelle für naiv, den Glauben, die Eskalationsgefahr würde bei weiteren Waffenlieferungen steigen für ebenfalls nachweisbar falsch und die Diskussion über Aufrüstung für ablenkend. Wir müssen modernisieren, effizienter werden, weniger verschwenderisch. Das hat mit Aufrüstung nichts zu tun. Wir müssen schlicht unsere Verteidigungsfähigkeit wieder herstellen, sonst werden wir nicht ernst genommen (und können erst recht keine Verhandlungen führen).
Und ein kleiner Hinweis: die Linke steht nicht in allen Positionen stellvertretend für “die linke Blase”. So etwas gibt es nicht, linke Menschen sind so zerstritten wie immer.
Die Ukraine verteidigt sich übrigens aus freien Stücken, das ist ihre Entscheidung als souveräner Staat. Wir unterstützen lediglich ihre Bemühungen. Ob die Ukraine weiterkämpft oder kapituliert ist nicht unsere Entscheidung.
Ja warum moechte die Ukraine wohl in die NATO? Vielleicht weil russland ein kriegstreiber ist, der vorher schon mehrmals seine nachbarstaaten (z.b. 2014 die ukraine!) angegriffen hat, und man dem etwas entgegensetzen moechte?
Ausserdem “geht” ein land nicht einfach an die NATO, dafuer muss man sich aktiv bewerben, hohe beitraege zahlen, bestimmte regeln einhalten usw. Wer nicht will kann auch einfach nicht der NATO beitreten, wie es Finnland und Schweden gehalten haben die bis 2023/24 eben auch noch kein mitglied waren, obwohl Finnland eine sehr lange landgrenze zu russland hat.
Zweifellos; er ist ja praktisch schon seit 3 jahren am gewinnen. Einen richtigen Blitzkrieg fuehrt er da! Er rommelt sich durch das flachland, ueber felder und durch bauerndoerfer vom osten her unaufhaltsam auf richtung Kiew vor.
Ja, nur gibt Putin einen fick auf verhandlungen und vertraege und bricht sie sobald er andere plaene hat mit welchen er meint russland zu vergroessern zu koennen.